Wie kann ich die Produktivität meiner Mitarbeiter langfristig erhöhen? Diese Frage stellt den einen oder anderen Unternehmer vor so manche Herausforderung. Denn viele Unternehmen suchen noch heute nach einer „Weltformel“, die die Antwort für diese Frage bringen soll. Oft sind das die Unternehmen, deren Vorstellung von Arbeit noch aus „Zuckerbrot und Peitsche“ besteht. Dabei kann es oft so einfach sein – jedoch muss man auch aufpassen, dass der gutgemeinte Anreiz sich nicht ungewollt zu einem Druckmittel entwickelt.
Fangen wir von vorne an ….
Das Employer Branding eines Unternehmens kann durch Anreizsysteme maßgeblich gestaltet werden. Mithilfe von Onboarding-Anreizen kann man sich beispielsweise stark von Wettbewerben abheben und sich als potenzieller Arbeitgeber positionieren und so u.a. Nachwuchskräfte oder auch High Potentials gewinnen.
Eventuell hat man nun seine Wunschkandidaten mit dem jeweiligen Potenzial „on Board“ geholt. Soweit so gut, aber wie geht es weiter? Wichtig ist jetzt, dass eine ganzheitliche Anreiz-Philosophie im gesamten Unternehmen implementiert wird. Oberste Priorität hat am Anfang der Onboarding-Prozess, welcher sich nicht nur auf den ersten Tag beschränkt. Dieser Prozess kann mehrere Monate beanspruchen, bis sich der neue Mitarbeiter im Unternehmen integriert fühlt und seine optimale Produktivität erreicht. Dabei genügt es nicht, die Person kurz dem Team vorzustellen und einen Rundgang durch das Haus zu geben. Es bedarf hier eines konkreten Einarbeitungsplans mit entsprechend regelmäßigen Feedbackgesprächen.
Ein gelungenes On-Boarding kann man zwar bewerben, aber hier zählt wohl stärker die gemachte Erfahrung. Dabei gibt es weit mehr Anreize als Gratiskaffee und einen guten Start. Nun unterscheiden wir grundsätzlich zwischen materiellen und immateriellen Anreizen: Materielle Anreize beziehen sich meist das Gehalt oder die Entlohnung. Immaterielle hingegen auf gefühlte Kleinigkeiten, welche sich sogar stärker auf die Produktivität auswirken können. Dazu zählen Home-Office-Tage, vielfältige Weiterbildungsmaßnahmen oder auch die Einbeziehung von Mitarbeitern in bestimmte Entscheidungsabläufe. Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten durch Kreativität und Engagement Großes zu bewirken.
Doch warum sind Anreize eigentlich so wichtig?
Studien ergaben, dass ein wirksames Anreizsystem die Motivation der Mitarbeiter und die Leistung der Teams um 30 Prozent oder mehr steigert. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, haben dies viele Unternehmen noch nicht verstanden.
Man muss jedoch aufpassen, dass Unternehmer aus dem Anreiz-System mit dem einzigen Ziel der Produktivitätssteigerung genau das Gegenteil erreichen. Ein perfektes Beispiel: Jack Welch, der 20 Jahre CEO von General Electric war, führte die „20-70-10 – Regel“ ein. Diese besagt, dass jährlich die 20 Prozent der leistungsstärksten Mitarbeiter (in Bezug auf die Zielerreichung) mit finanziellen Boni belohnt werden, die nächsten 70 Prozent bestmöglich gefordert und gefördert und die 10 Prozent mit der niedrigsten Zielerreichungsquote entlassen werden. Und genau hier kann ein Abwärtsstrudel entstehen. Natürlich entsteht hier auch der Anreiz zu den Besten zu gehören, um den Bonus zu erhalten. Zeitgleich wird eine Angst vor Entlassung sowie ein Konkurrenzdenken im eigenen Team erschaffen. Das war in Zeiten von mangelnden Arbeitsplätzen und in Ländern mit weitaus unsicheren sozialen Sicherungssystemen eine mögliche Option. Heute trifft dies weder gesellschaftlich noch aus Sicht des eindeutigen Arbeitnehmermarktes den Zeitgeist. Einen gesunden Wettbewerbsgeist zu fördern ist sicherlich auch heute eine gute Sache. Das systematische Aussortieren von leistungsschwachen Mitarbeitern ist ein teurer Luxus. Ein Bonus sollte grundsätzlich für jeden Arbeitskollegen möglich sein und das Unternehmen durch Förderung und Weiterbildung jedem Arbeitnehmer helfen diese zu erhalten. So steigert sich nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch die Mitarbeiterbindung und Produktivität im Unternehmen.
Kommen wir nun zu den verrücktesten Anreizen:
Natürlich ist es immer einfach zu kritisieren. Doch wir wollen auch viele Unternehmen vorstellen, die sich bei ihrem Anreizsystem besonders ins Zeug gelegt haben. Hier geht es also nicht um Weihnachtsgeld oder Sonderurlaub, sondern um wirklich ausgefallene Sachen, wodurch auch Sie sich von ihrem Wettbewerb abgrenzen können:
Einer der Big Player Deutschlands ist die „Deutsche Telekom“. In der Bonner Hauptzentrale gibt es eine regelrechte Magenta-City für die Mitarbeiter: Frisörläden, Fitnessstudios, Massagestudios, Versicherungsvertreter, welche sich um die Angelegenheiten der Mitarbeiter kümmern. Außerdem fördert das Telekommunikationsunternehmen die Gesundheit und Fitness seiner Mitarbeiter auf besondere Art und hat mehr als 5.000 “Deskbikes” angeschafft. Telekom-Angestellte halten sich damit nicht nur direkt am Schreibtisch körperlich fit, sondern schaffen einen körperlichen Ausgleich zur Denkarbeit im Büro.
Auch die Hamburger Sutor Bank und die Multi-Invest GmbH gehen ungewöhnliche Wege. Bei Abschluss des Kindersparplans „Goldie“ bekommt nicht nur der Kunde, sondern auch der Vermittler ein Gramm Gold „als Belohnung“. Multi-Invest, ein Anbieter für Investmentlösungen, hat den Kindersparplan „Goldie“ selbst entwickelt.
Upstalsboom: Ungewöhnliche Erfahrungen. Die Hotelkette sorgt für Aufsehen dadurch, dass sie ihren Auszubildenden unter dem Motto “Tour des Lebens”, spektakuläre Erlebnisse ermöglicht. 2016 bestiegen zehn Azubis den Kilimandscharo. Eine Reise zum nördlichen Polarkreis nach Spitzbergen sorgte für die nächste Extremerfahrung!
People over Profit:
Was haben Sting, Sunrise Avenue, Die Fantastischen Vier und Revolverheld gemeinsam? Die Mitarbeiter des Familienunternehmens Würth haben alle bereits beim gleichnamigen “Würth Open Air” live erleben können. Freunde der klassischen Musik unter den Angestellten dürfen sich über die Auftritte der “Würth Philharmoniker” freuen. Das ist nicht etwa ein Zusammenschluss von musikalischen Mitarbeitern, sondern ein Orchester von Weltformat mit eigener Spielstätte in der Nähe der Firmenzentrale! Ein ähnliches Format hat im Übrigen auch Trigema – hier gab es schonmal ein Helene Fischer – Konzert für die Mitarbeiter.
Zu guter Letzt kommen wir zu Google. Jeder kennt diesen Riesenkonzern. Allein, dass das Verb „googlen“ im deutschen Duden aufgenommen worden ist, spricht Bände. Und Google hat eine ziemlich ungewöhnliche Kultur: Diese ist flexibel (die Mitarbeiter sollen arbeiten, wann und wie es ihnen passt), bietet Spaß (Büros haben Ruheecken mit Liegen für Nickerchen bei Bedarf, Videospiele und Tischtennis) und sie basiert auf einer Vertrauensbasis. Zusammenarbeit hat einen hohen Stellenwert – sogar soweit, dass die Mitarbeiter:innen aufgefordert werden, sich gegenseitig im Rahmen des Programms „Googler to Googler“ zu coachen. Hier können wichtige berufliche Fähigkeiten wie Rhetorik und Management, aber auch andere Aktivitäten wie Kickboxen geübt werden. Google vergibt außerdem Preise für Kreativität und ermutigt seine Mitarbeiter aktiv, innovativ zu sein. Im Google X Labor werden die Mitarbeiter:innen aufgefordert, das Unmögliche Wirklichkeit werden zu lassen und für Fehlschläge belohnt.
Natürlich verfolgt Google oder auch die Telekom mit ihren Work-Cities darüber hinaus das Ziel, die Mitarbeitenden länger zum Arbeiten zu motivieren. Im Gegensatz zu den USA dienen diese Anreize in Deutschland aber tatsächlich dazu Mitarbeitende im Leben zu unterstützen und im Unternehmen zu halten, als die reine Tagesarbeitszeit zu maximieren.
Was die Anderen können, können Sie auch.
Natürlich sind für viele mittelständische und kleine Unternehmen solche Anreize kaum umsetzbar. Doch wie im Text schon erwähnt, braucht es meist keine extraordinären Anreize, um die Produktivität zu steigern. Als Unternehmer sollte man nur wissen, wo die Vorteile im eigenen Unternehmen zu finden sind und diese Vorteile geschickt mit kreativen Ideen in Anreize wandeln.
Ein eher kleines Unternehmen, welches einige Kilometer von der nächstgrößeren Stadt entfernt seinen Sitz hat? Hier kann man natürlich die größten Trümpfe ausspielen und zeitgleich Standortnachteile gezielt durch Anreize relativieren. Sei es vertrautes Arbeiten im kleinen und familiären Team mit der Möglichkeit mehr Verantwortung zu übernehmen oder die persönliche Nähe zu Geschäftsführung, Produkt oder Dienstleistung und den Kunden. Natürlich bieten auch Home-Office, Teamausflüge oder andere wertschätzende Goodies eine Option die eigenen Mitarbeiter zu binden. Doch materielle Anreize sind nach wie vor für viele Arbeitnehmer nicht unwichtig. Kleine, aber wirksame Boni, wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsboni bei Erfolgen sind möglich. Und der letzte wichtige positive Punkt für ein Kleinunternehmen ist, dass ein Feedback, in welcher Ausprägung auch immer, deutlich schneller kommuniziert werden kann. Vorteile wie Gleitzeit oder auch vielfältige Weiterbildungs- und Entwicklungsmaßnahmen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Am wichtigsten sind also nicht die verrücktesten Anreize, sondern eine gesunde Mischung aus Möglichkeiten für die Mitarbeitenden, Boni und vor allem Wertschätzung.